Amore Bio – Apulische Bio-Pioniere

Donnerstag, September 08, 2016

Wir fahren auf einer Landstraße, die gesäumt ist von Olivenbäumen. Links, rechts nur Olivenbäume. Das sanfte Licht der aufsteigenden Februar-Sonne erzeugt gemeinsam mit den Baumkronen ein wunderschönes Schattenspiel. Idyllisch. Aber an diesem Morgen war schon einiges los. Ohne Frühstück und mit flauem Magen setzten wir uns um halb sechs in das Auto von Giuseppe Lombardi, der uns bereits in den vergangenen Tagen ein großartiger und kundiger Gastgeber war. Wenn man eine Büffel-Ranch besuchen möchte, in der vor Ort täglich frischester Mozzarella hergestellt wird, muss man früh aufstehen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Giuseppe, Mirjam und das leckere Olivenöl der Familie Lombardi

Nach dem Besuch der Büffel-Ranch von Familie Mazzarelli wollte Giuseppe uns endlich zeigen, was er sonst macht, wenn er nicht gerade ein paar Mädels auf ihrer kulinarischen Expedition begleitet. Er fährt uns zum Olivenhain seiner Familie.

In den 80er Jahren kaufte Vincenzo Lombardi einen Olivenhain in Apulien Nahe des kleinen Flusses Torrente Locone. Der Agrarwissenschaftler ist ein Bio-Pionier. Stück für Stück und unter unverständlichem Kopfschütteln der benachbarten Oliviers gestaltete er aus dem bisher konventionell bewirtschafteten Hain den ersten ökologischen Olivenanbau der Region Apulien.
Heute ist es in Apulien selbstverständlich, dass italienische Landwirte Feldfrüchte aller Art nach ökologischen Standards anbauen. 

Völkerverständigung, die flutscht - Claudia schenkt Giuseppe Lein-Öl von Leipspeis aus Leipzig.

Exkurs: Was ist ökologischer Anbau?

Der Hauptgedanke der ökologischen Landwirtschaft ist ein Wirtschaften im Einklang mit der Natur. Der landwirtschaftliche Betrieb wird dabei vor allem als Organismus mit den Bestandteilen Mensch, Tier, Pflanze und Boden gesehen.
Der ökologische Landbau hat in unterschiedlichen Formen eine lange Tradition. So wurde 1924 die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise eingeführt und auch der organisch-biologische oder der naturgemäße Landbau gehen mit ihren Ursprüngen weit ins letzte Jahrhundert zurück. 
Die ökologischen Landbaumethoden wollen – stärker als andere Anbaumethoden -
      • einen möglichst geschlossenen betrieblichen Nährstoffkreislauf erreichen. Futter- und Nährstoffgrundlage soll der eigene Betrieb sein, 
      • die Bodenfruchtbarkeit erhalten und mehren und 
      • Tiere besonders artgemäß halten. 
Folgende Maßnahmen stehen dabei im Vordergrund:
      • kein Pflanzenschutz mit chemisch-synthetischen Mitteln, Anbau wenig anfälliger Sorten in geeigneten Fruchtfolgen, Einsatz von Nützlingen, mechanische Unkraut-Bekämpfungsmaßnahmen wie Hacken und Abflammen; 
      • keine Verwendung leicht löslicher mineralischer Düngemittel, Ausbringen von organisch gebundenem Stickstoff vorwiegend in Form von Mist oder Mistkompost, Gründüngung durch Stickstoff sammelnde Pflanzen (Leguminosen) und Einsatz langsam wirkender natürlicher Düngestoffe; 
      • Pflege der Bodenfruchtbarkeit durch ausgeprägte Humuswirtschaft; 
      • abwechslungsreiche, weite Fruchtfolgen mit vielen Fruchtfolgegliedern und Zwischenfrüchten; 
      • keine Verwendung von chemisch-synthetischen Wachstumsregulatoren; 
      • begrenzter, streng an die Fläche gebundener Viehbesatz; 
      • Fütterung der Tiere möglichst mit hofeigenem Futter, wenig Zukauf von Futtermitteln; 
      • weitgehender Verzicht auf Antibiotika. 



Giuseppe Lombardi war noch ein kleiner Junge als sein Vater sich aufmachte mit den eigenen Bio-Oliven einen neuen Weg in der apulischen Landwirtschaft zu gehen. Seit einigen Jahren folgt Giuseppe – mittlerweile studierter Lebensmitteltechniker – seinem Vater auf diesem Weg.
Er führt den Familienbetrieb gemeinsam mit seinem Vater. Während dieser weiterhin für seine geliebten Olivenbäume zuständig ist, kümmert sich Giuseppe um die Produktion des grasgrünen Olivensaftes und um Vermarktung sowie Vertrieb.

Giuseppes Oliven warten in der Ölmühle auf ihr nächstes Leben.

Aber auch Giuseppe ist ein Bio-Pionier. Für ihn war das Olivenöl nur der Anfang. Vor wenigen Jahren eröffnete er den ersten Bio-Laden in Andria. Hier bekommen wir alles was das für ökologische Lebensmittel schlagende Herz begehrt.
Auch er wurde anfangs belächelt. Mittlerweile gibt es in Andria weitere Fachgeschäfte für biologische Lebensmittel – und die Nachfrage steigt. Das macht Giuseppe glücklich und zuversichtlich. Er glaubt fest an eine Zukunft, in der ökologisch erzeugte Lebensmittel von hoher Qualität die Regel und konventionelle die Ausnahme sind. Dafür arbeitet er jeden Tag. 

Der neue Acker der Familie Lombardi ist schon hergerichtet für feinstes Bio-Obst.


Giuseppe erzählt uns auf dem Weg zurück von seiner neuesten Baustelle im großen Bio-Projekt: der ganzjährige Anbau ökologischen Obsts. Seine Idee ist eigentlich simpel – wie die meisten guten Ideen. Er möchte nicht nur eine Sorte Obst anbauen und entsprechend an nur wenigen arbeitsintensivenHöhepunkten im Jahr mit Saisonarbeitern auf dem Feld stehen. Giuseppe plant stattdessen im gesamten Jahr je nach Saison verschiedenes Obst ökologisch anzubauen. Das hat mehrere Vorteile. Zum einen bleibt der Boden durch eine intelligente Fruchtfolge nähstoffreich und wird nicht ausgelaugt. Zum anderen kann er Mitarbeiter über das ganze Jahr beschäftigen, weil es immer Arbeit auf dem Feld gibt. Das ist nicht nur umweltfreundliche biologische Landwirtschaft sondern auch soziale und faire Beschäftigung. 

Ganz nach unserem Geschmack!

Der Olivenhain der Familie Lombardi - irgendwo in den
Bäumen sitzt Giuseppes Vater...


Wir stehen zwischen seinen Olivenbäumen und die Sonnenstrahlen dringen durch die Zweige und Blätter als Giuseppe uns all das erzählt. Ein herrlicher Tagesbeginn. Völlig beseelt und zugleich mitgerissen von diesen Aufbruchsgeschichten in größtmöglicher Idylle fühlen wir uns der ökologischen Zukunft plötzlich ganz nahe.

Text: Mirjam
Fotos: Claudia und Mirjam

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