Foccacia im Paradies

Mittwoch, Mai 11, 2016

Nachdem wir an unserem ersten Abend bei Pizza und Vino unsere Reisegruppe kennengelernt haben, beginnt unser erster Arbeitstag für arteFakt- die Olivenölkampagne. Wie Prinzessinnen schliefen wir im kleinen süßen Antik-Hotel in Bitonto, das Conrad für uns ausgesucht hatte.

Uns wird klar: das ist kein Auftrag eines klassischen Unternehmens. Es fühlt sich an wie eine Familie, die gemeinsam wirtschaftet. Und von Anfang an fühlen wir uns als Teil davon.

Nach einem Besuch auf dem lokalen Markt packen wir unser Auto und fahren raus aus der Stadt und rein in die Prärie. Auf dem Weg holen wir Anna ab - sie betreut für arteFakt den Museumshain, der sich nahe Bitonto in Palombaio befindet. Museumshain? Ganz können wir uns noch nicht vorstellen, was sich hinter diesem zusammengesetzten Wort verbirgt. Gespannt beobachten wir die Umgebung  aus dem Autofenster. Dabei erstreckt sich ein völlig neuer Blick: Olivenbäume. Soweit das Auge reicht. Einer neben dem Anderen. Schachbrettmusterartig.

Wir erreichen den Zielort und spüren direkt: der arteFakt-Olivenhain ist anders als die Anderen.
Wir erleben, wie ein Olivenhain früher einmal war: ein Garten!




Die Oliven teilten sich das Feld mit Mandeln, Zitrusfrüchten und Weintrauben. Aus ihm versorgte 
sich die Familie mit all den Früchten und Kräutern, die zum Leben gebraucht wurden.

Anna führt uns über das Gelände, zeigt uns verschiedene Wildkräuter und Baumarten und wir besichtigen den Trullo, der mit Stiftungsgeldern wieder aufgebaut wurde. Ein Trullo ist ein aus Steinen trocken aufgeschichtetes Rundhaus, in dem die Helfer zur Erntezeit wohnten.

Wir pflücken frischen Oregano für unsere Mittags- Foccacia in der Sonne und nehmen Platz auf dem kleinen Steinplatz, dessen Mitte ein wunderschöner rosa-Pfeffer-Baum schmückt. Ein schöner Ort für eine entspannte Mittagspause und einen Plausch. Wir kommen mit Anna ins Gespräch über Land, Leute und natürlich den Olivenhain.

Sie ist glücklich, den idyllischen Museumshain zu versorgen. Jedes Jahr kommen Helfer und Besucher, um die Ernte einzuholen. Daraus wird das Museums-Olivenöl gepresst.



Wir fragen uns, warum der Museumshain eine Ausnahme ist - warum ist es sonst so kleinkariert und eintönig in den Outbacks von Italien geworden?

Auf modernen Olivenhainen werden die Bäume schachbrettmusterartig in Monokulturen 
angebaut.Grund dafür sind die Bestimmungen der EU-Subventionen. Um eine höchstmögliche Förderung zu erhalten, wenden die Landwirte eine mathematische Formel an. Diese verlangt einen etwa halb so großen Abstand der Bäume im Vergleich zu traditionellen Anbauarten und dass lediglich 
"artenreine" Bäume zusammen wachsen.

Diese Art des Anbaus hat den Vorteil, dass die Bäume einfach mit Maschinen erreicht und abgeerntet werden können. Es ist schlichtweg effizienter.

Doch wie Conrad so schön sagt: "Die Ästhetik geht verloren und das verdirbt die Stimmung! Der Olivenhain ist kein romantischer Garten mehr, sondern ein Hochleistungsfeld mit einer nach
Mathematik anmutenden Natur."



Monokulturen bringen neben dem Stimmungs-Argument noch weitere Nachteile mit sich:

1. Sie sind anfälliger für Schädlinge.
2. Qualität und Artenvielfalt gehen verloren.

Es werden schnell wachsende und flach wurzelnde Hybridpflanzen ertragreicher Olivensorten verwendet. Diese werden mit einer Nährlösung versorgt, maschinell kurz geschnitten und geerntet. Eine Lebensdauer von fünfzehn Jahren soll nicht überschritten werden. Eine aromatische Olive benötigt aber lange Wurzeln und Zeit, diese auszubilden, denn Aromen bilden sich aus den tieferen mineralischen Erdformationen.

Conrad wollte den Entwicklungen nicht tatenlos zusehen und erwarb „mal eben“ den Hain. Als er sich entschied, das Stück Land nicht den EU-Förderrichtlinien zu unterwerfen, schüttelten einige Einheimische mit den Köpfen.

Sein Ziel: Landschaftskultur in seiner ursprünglichen Form erhalten.
Gesagt,  getan - der Museumshain wurde gegründet.

Auf einem Museumshain wird die vergangene Alltagskultur rund um die Olive erhalten. Diese Museen produzieren Öl, sind aber nicht im klassischen Sinne ökonomisch nachhaltig. Ein kreatives Finanzierungskonzept musste her.

Beim Durchstreifen des Haines fällt uns auf, dass die Olivenbäume mit kleinen Schildern versehen sind. Darauf sind die Vor- und Zunamen der vielen Finanzierer*innen vermerkt.
Bei arteFakt können wir alle zu Paten werden – Baumpaten - und unseren Namen an einem Baum lesen. Wir kaufen einen Baum, je nach Größe kostet das 100 – 300€, dieser kommt zur Fläche hinzu und wird von ortsansässigen Landwirten wie Anna nach ökologischen und historischen Kriterien revitalisiert und bewirtschaftet. Das heißt: Der Museumshain kann wachsen.
"Die Zukunft wächst aus der Vergangenheit heraus."




Wir sind begeistert! arteFakt setzt ein klares Zeichen,dassAlternativen möglich sind. Es braucht einen kreativen Finanzierungsansatz, aber wir sind nicht per se gezwungen, uns der Effizienzbewegung anzuschließen.
Wir verlassen den Garten mit dem Gedanken: "Es lebe die Ästhetik! Viva la Vielfalt."

Wir lieben lernen
  • Neben dem Teebusch gilt der Olivenbaum als die älteste von Menschenhand kultivierte Pflanze.
  • Auch der Olivenbaum ist eigentlich ein Busch - undurchdringlich in seinem üppigen Wuchs. Erst zum Baum gezogen, kommen wir an seine leckeren Früchte.
  • Die Bäume sind oft viele hundert, manche Exemplare sogar tausend Jahre alt. Damit werden sie zu Naturdenkmälern. 
Anna Masciale
  • Dein Traum / deine Vision: ein eigener Gemüsegarten.
  • Dein Lieblingsessen: Spaghetti mit Tomaten und Basilikum.
Text und Fotos: Claudia
Video: Mirjam






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